Photographie

Der motivverschlingende Welthunger, die Selbstverständlichkeit, mit Fotos, als beiwerkende Wichtigkeitshintergründe, scheinbare Lebendigkeit in Masse konsumieren zu lassen und die offensichtliche Haltung von Belanglosigkeit Inhalten gegenüber, haben bedenkenerzeugende Ausmaße angenommen. Die Halbwertszeit der Wahrnehmung eines anspruchsvollen Alltagsfotos liegt irgendwo zwischen dem aufblitzenden Anfangsgenuss eines Stücks leckerer Heidelbeertorte und der schlicht nichtssagenden Anordnung Milliarden und Abermilliarden leuchtender Bildpunkte – Augenglück verheißende Pixelspritzer, die ihrer Aufgabe praktisch nie gerecht werden können. Bildpunktesucht.

Man kann gut verstehen, dass sich immer mehr ernsthafte Fotoschaffende analoge Zeiten zurückwünschen oder gleich selbst wieder mit analoger Technik fotografieren. Wer trotzdem digitale Fotografie betreibt, der muss mit dem Dilemma leben, sich zu positionieren, zwischen der eingangs beschrieben Welt und einem Kunstmarkt der für einzelne Fotografien Millionen Euro locker macht.

Architektur in Schwarz-Weiß

Hobbyfotograf oder doch semiprofessionell

Professionelles Arbeiten setzt den Anspruch der Reflexion seiner Arbeit und die Entwicklung der eigenen Fähigkeiten voraus. So gesehen ist jeder Draufdrücker ein Hobbyfotograf, aber keinesfalls ein Semiprofessionalist! Das der Unterschied in der Alltagswahrnehmung vieler Menschen kaum auffällt, sollte nicht davon abhalten, seine Fähigkeiten mit Lust am Tun, in dem Fall am Fotografieren, fröhlich zu entfalten.

Lust, mit Licht zu malen

Mit Licht zu zeichnen oder zu malen ist keinesfalls nur Handwerk, natürlich ist es das auch, schließlich gilt es einiges zu handhaben, aber es ist eben auch eine Kunst.

Wer einmal die Verbindung zwischen Motiv, Kopf und Kamera erlebt hat, spürt im Auslösen den Ausdruck des Zeitrisses, der später im Foto sichtbar wird. Sven Lehmann

Das mag sich merkwürdig lesen, ist aber das was ich fühle, wenn ich fotografiere.

Feuerwerk am See

Photographie und Kunst

Dass sich nicht jeder Fotografierende als Künstler versteht, liegt wohl allein dadurch auf der Hand, dass die Menge der täglich in der Welt entstehenden Fotos unzählbar ist. Diesen Schluss umzukehren ist aber unzulässig. Nur weil geknipste Bilder zu einem Massenphänomen geworden sind, degradiert diese Tatsache nicht jeden Fotoschaffenden zum Nichtkünstler.

Katja Petrowskaja leitet ihrem Text „Versuch über das Weibliche“ wie folgt ein:

Es gibt Fotos, von denen man überhaupt nicht weiß, wozu sie gemacht wurden, und auch nicht, von wem; man weiß nur, dass der Fotograf nicht den Anspruch hatte, sich als Künstler zu verstehen.Katja Petrowskaja, Das Foto schaute mich an,
Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 2022, Seite 17

Genau genommen glaube ich nicht, dass sich die Mehrheit der Fotografierenden überhaupt fragt, wozu anders das Entstehende dienen soll als zum Anschauen. Welche Motive noch beim Auslösen eine Rolle spielen, werden wir wohl insgesamt nie erfahren. Das Spektrum dürfte aber von der Erinnerung über die Präsentation bis zur Dokumentation reichen.

Braucht der künstlerische Ausdruck immer eine Absicht? Vermutlich ist das nicht der Fall. Aber braucht das Erkennen von Kunst eine Voraussetzung? Die Diskussionen dazu werden seit langem geführt und haben bis heute keine befriedigende Antwort auf diese Frage zu Tage gefördert. Die einen führen aus, Kunst „hängt“ in Museen und Galerien, maximal noch in Ausstellungen oder ist in Fotobänden abgebildet, die anderen finden Kunst an jeder Straßenecke. Das Graffito sei demnach genauso künstlerischer Ausdruck, wie eine Kinderzeichnung oder ein Bild, das von KI erstellt wurde.

Das Foto verlangte Stille, als würden Worte die Zerbrechlichkeit des Schauens verscheuchen. Katja Petrowskaja, Das Foto schaute mich an,
Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 2022, Seite 35

Die Kreation, und dazu gehört nun mal jedes Foto, denn es braucht den, der es erschafft, kann nur durch die geeignete Wahrnehmung, praktisch durch den guten Rahmen, in dem es im Alltag hängt, zur Kunst werden. Dieser Rahmen kann die eigene Zeit sein, die ich mir nehme, eine Photographie bewusst anzusehen, dieser Rahmen kann das Rahmen des Fotos in der Tat sein, dieser Rahmen muss aber von mir, dem Anschauenden selbst, erschaffen werden.

So gesehen wird wahrscheinlich sehr viel mehr Fotokunst mit Absicht erschaffen, als je Zeit wäre sie überhaupt wahrzunehmen.

Natürlich sind Fotografien Kunstprodukte. Aber in einer von fotografischen Relikten übersäten Welt haben sie offenbar auch als Fundobjekte ihren Reiz, als zufällige Ausschnitte der Welt.
Susan Sontag, Über Fotografie, Carl Hanser Verlag München Wien, 1978,
22. Auflage FISCHERTASCHENBUCH, Frankfurt a. M., 2016, Seite 71

Photographie – Kunst und Handwerk zugleich

 

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