Coaching-Zukunft im „elektronischen“ Zeitalter

Welche Zukunft hat Coaching oder die Rolle eines Coaches im „elektronischen“ Zeitalter? Wird man auch künftig einen Coach brauchen? Diese Frage stellt sich zwangsläufig in einer Zeit, in der elektronische Medien allgegenwärtig sind, in der bereits Kleinkinder ganz selbstverständlich Fernseher und DVD-Player bedienen, um speziell für sie gemachte Programme und Filme zu sehen, deren Hersteller damit werben, dass ihre Produkte kleine Kinder besonders schlau machen. Für ältere Kinder und Jugendliche ist das Angebot von Bildschirmmedien mit vorgeblich erzieherischer und bildungsfördernder Qualität kaum zu überblicken, und auch für Erwachsene ist E-Learning ein Schlagwort, dass verspricht, nahezu jedes Wissensdefizit auszugleichen. Reicht es zukünftig vorm Computer zu lernen? Oder ist gar der persönliche Kontakt, nicht nur im Coaching, von entscheidender Bedeutung?

Wie wichtig ist aus dieser Perspektive persönlicher Kontakt überhaupt noch? Der renommierte Neurowissenschaftler Prof. Manfred Spitzer hat in einem seiner Bücher 1 eine interessante Studie kalifornischer Wissenschaftler 2 vorgestellt. Darin ging es um die Frage, ob Babys dafür sensibilisiert werden können, Laute einer ihnen bisher unbekannten Sprache zu erkennen, und welche Rolle soziale Kontakte dabei spielen.

Details zur Studie

Die Studie fand in Gruppen mit 9-10 Monate alten Babys statt. Dabei wurde über einen Zeitraum von 4 Wochen 12 mal für 10 Minuten Chinesisch vorgelesen. Anschließend spielten die (chinesischen) Vorleser für 15 Minuten mit vorgegebenem Spielzeug mit den Kindern. In einer Kontrollgruppe wurde nur Englisch gesprochen. Mit Hilfe eines Tests wurde anschließend die Fähigkeit der Kinder überprüft, zwei chinesische Sprachlaute, die im Englischen nicht vorkommen, zu unterscheiden. Die Babys , die nur Englisch gehört hatten, erreichten kaum mehr als Zufallsniveau, während die Babys aus der Chinesisch-Gruppe signifikant besser abschnitten.

Mit dem gleichen Material und den gleichen Personen wurde eine DVD hergestellt, die Kinder aus zwei weiteren Kontrollgruppen entweder anschauten oder nur den Audiokanal anhörten. Die Zeit dieses „medialen Unterrichts“ war identisch mit der im ersten Experiment. Die anschließenden Tests zeigten, dass von den elektronischen Medien keinerlei Lerneffekt ausging.

Mit anderen Worten: Persönlicher Kontakt und soziale Interaktion sind bei Lernprozessen nicht zu ersetzen!

Sicher werden Jugendliche und Erwachsene mit bildungsfördernden elektronischen Medien anders umgehen, sofern sie „gelernt haben, zu lernen“. Dennoch wird gerade im Bereich des E-Learnings oft unterschlagen oder aus Sicht der Nutzer unterschätzt, dass für einen nachhaltigen Erfolg des Lernprozesses interaktive Erfolgskontrolle und Kommunikation eine ganz wichtige Rolle spielen.

Nun ist Coaching nicht einfach nur Wissensvermittlung im Sinne des Lehrens. Vielmehr geht es um Entwicklungsprozesse, die gemeinsam, interaktiv und kommunikativ initiiert und gestaltet werden und regelmäßiger Erfolgskontrolle bedürfen. Ein sensibler Coach wird diese Prozesse jederzeit wachsam begleiten, ohne seine eigenen Vorstellungen unkommentiert durchzusetzen. Dabei spielt die persönliche Ausstrahlung eine ganz wichtige Rolle. Es ist unvorstellbar, wie so etwas, nach heutigem Technikstand, durch ein elektronisches Medium, vielleicht mit dem Charakter eines Benutzerhandbuches oder dem Charme eines Navigationsgerätes, ersetzt werden könnte.

Um die eingangs gestellte Frage aufzugreifen: Ja, ein Coach wird auch zukünftig in Entwicklungsprozessen eine wichtige Rolle spielen, egal ob in einem Unternehmen oder im persönlichen Kontext.

(1) Spitzer, M.: Liebesbriefe und Einkaufszentren. Meditationen im und über den Kopf.- Schattauer GmbH, Stuttgart 2008.

(2) Kuhl, P.K.: Foreign-language experience in infancy: Effects of short-term exposure and social interaction on phonetic learning.-
PNAS 2003; 100:9096-9101.

Autor: SL - 19. Apr 2010 - Kategorie: Coaching - Kommentar schreiben

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